City of Angels

  • franzi
  • 12. März 2016

Those who deride Los Angeles for its lack of beauty are not only wrong, they are missing the point. The city is not about beauty, nor about the picturesque conjunction of landscape and dwelling; it is about location. Stephen Brook— LA Days, LA Nights

Wer Los Angeles als hässlich verhöhnt, der hat die Stadt nicht verstanden, schreibt Brook. Was sie ausmacht ist ihre Lage. Man kriegt ein Gefühl dafür, was der Autor damit meint, wenn man einen der Berge im nördlichen Teil der Stadt erklimmt und seine Augen schweifen lässt:
Von den Bergen mit ihren staubigen Pfaden, trockenen grünen Büschen, dem Hollywood Sign und Villen mit türkisen Pools und gepflegten Gärten über die flachen Häuser, schachbrettartig von Straßen durchzogen – unterbrochen von den markanten Highways, die sich immer wieder an Kreuzen übereinander und untereinander umschlingen – bis hin zu den Wolkenkratzern und dem tiefblauen Meer am Horizont, das an breite goldene Sandstrände schlägt.
Und als wäre das nicht genug, wird alles von der strahlenden Sonne mit einem goldenen Glanz versehen. Das Klima ist bei Bewohnern wie Besuchern beliebt. Und es stimmt, was sie sagen: Es gibt hier nicht vier Jahreszeiten. Nur Sommer und weniger Sommer.

Los Angeles is a horizontal city, an urban omelette, an epic concrete smear, and the energies of its inhabitants are directed at traversing its expanses.Stephen Brook— LA Days, LA Nights

Los Angeles als Omelette? Die Eiermetapher ist bei der Betrachtung der Stadtentwicklung nicht neu und geht im Ganzen etwa so: Die mittelalterliche Stadt ist kompakt und nach außen mit einer Mauer abgeschlossen wie ein gekochtes Ei. Im 19. Jahrhundert verwandelt sich die Stadt idealtypisch in ein Spiegelei: das Stadtzentrum als Eidotter wird umgeben von industrialisierten Gebieten, dem Eiweiß. Im 20. Jahrhundert werden weitere Grenzen aufgelöst und flatsch: alles gemixt. Rem Kolhaas nannte das dann Rührei. Und ja, LA ist keine zusammenhängende Fläche wie ein Omelette, es fällt auseinander wie Rührei. Und damit sind wir an dem Punkt, einen neuen Begriff auf den Tisch zu bringen: LA als postmoderne Stadt.

Postmoderne Stadt meint, dass LA eine Stadt bestehend aus tausend Splittern ist, ein Raum im Übergang, ständig in Bewegung, den man nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Los Angeles ist nicht eine Stadt, es ist tausend Städte. Wer eine große Erzählung zu formulieren versucht, wird der Stadt nicht gerecht. Sie verlangt Papierschnipsel, auf die man lose Gedanken schmiert. Diese Stadt in eine große Beschreibung zu fassen ist wie eine zerbrochene Vase mit Sekundenkleber zu reparieren: Das Ergebnis spottet dem Original.

Stadt der Extreme

LA ist die Heimat für unglaublich viele Menschen. Klar, dass es damit auch krasse Unterschiede gibt: kulturell, ethnisch, finanziell. Und so gibt es auf der einen Seite Leute, die den Hotel-Lifestyle dauerhaft zelebrieren und in Wohnungen mit Zimmerservice leben, es gibt die Gated Communities, eingezäunte Dörfer in der Stadt und Villen mit Sicherheitspersonal. Auf der anderen Seite gibt es Viertel mit Schießereien, Gangkriegen und einer dermaßen hohen Kriminalitätsrate, dass sie zu manchen Zeiten von der Polizei aufgegeben und sich selbst überlassen wurden. Nicht zu vergessen die unvorstellbar hohe Anzahl an Obdachlosen. Während meiner Zeit in Los Angeles habe ich Menschen in Designer Klamotten gesehen, die in Stretch Limos abgeholt wurden, aber auch Obdachlose, die ihre Notdurft mitten auf dem Gehweg verrichten, oder die zusammenhanglose Sätze vor sich hin faselten.
LA – Stadt der Träume. Hier kann der amerikanische Traum wahr, aber auch zum Alptraum werden.

Are you a lucky little lady in the city of light|or just another lost angel|city of night.The Doors— L.A. Woman

Aber gerade weil L.A. so extrem, so zufällig, instabil, chaotisch und wandelbar ist, ist jeder Besuch ein Abenteuer! So manches Mal bin ich zu Fuß durch die Stadt gelaufen und entdeckte etwas völlig Unerwartetes. Das mulmige Gefühl, wenn die Straßen dreckiger werden und niemand draußen zu sehen ist außer der Gestalten, die in Hauseingängen lungern, wurde noch immer von der Neugier besiegt. Die Kamera habe ich dann trotzdem ab und an lieber versteckt, dafür die Augen offen gehalten.

Und so kann man sich hier noch wie einer der Soziologen der Chicagoer Schule fühlen, welche ihre Stadt erkundeten, feldforschend, von der Neugier getrieben. Inmitten des Geschehens suchten sie nach Antworten, was im Eigentlichen vor sich geht und wie man es beschreiben kann. Heraus kamen Studien voll von ethnografischen Beobachtungen, persönlichen Erlebnissen und soziologischen Erkenntnissen im Stile journalistischer Reportagen.

Im Andenken an diese Tradition würde auch ich L.A. nicht als hässlich bezeichnen, sondern als Spielplatz für Erwachsene, als Erfahrungsraum, als urbanes Labor:

„Because of the opportunity it offers, particularly to the exceptional and abnormal types of man, a great city tends to spread out and lay bare to the public view in a massive manner all the characters and traits which are ordinarily obscured and suppressed in smaller communities. The city, in short, shows the good and evil in human nature in excess. It is this fact, perhaps, more than any other which justifies the view that would make of the city a laboratory or clinic in which human nature and social processes may be most conveniently and profitably studied.“Robert Ezra Park — The City (1915)


L.A. Art

Los Angeles ist nicht zuletzt eine Stadt für Künstler und deren Kunst ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Diese drei Künstler möchte ich euch empfehlen:

Shawn Nee, ein echter Street-Photographer, zeigt Gesichter, die im Gedächtnis bleiben und eindrucksvolle Bilder von Straßenleben und Protestkultur.
Amanda Friedman fotografiert Prominente in sanftem Licht und pastelligen Tönen, aber auch Landschaften in Nacht und Nebel.
Ryan Schude ist ein König der Inszenierung. Heraus kommen Fotos – vollgestopft mit Details – von faszinierend bis verstörend.

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